Manchmal stehen wir an einem Punkt in unserem Leben, an dem wir bemerken, dass es Zeit für eine Veränderung ist.
Ein diffuses Gefühl, dass etwas im Moment nicht richtig harmoniert zwischen unserem Denken, Fühlen und Handeln.
Dies könnte dann für uns der Zeitpunkt sein, zu überlegen, ob wir nicht gewisse Dinge in unserem Leben loslassen sollten:
Altes, was uns belastet, alte Denkmuster und Verhaltensweisen, Beziehungen und vergangene Ereignisse.
All die Dinge, die uns daran hindern uns weiter zu entwickeln, die uns daran hindern glücklich zu sein und ein Leben zu führen, welches uns entspricht und vor allem, das loslassen, was uns daran hindert unser ganzes Potential auszuschöpfen.
„Loslassen: Etwas niederlegen können, ohne es als Niederlage betrachten zu müssen.“
(Henriette Wilhelmine Hanke)
Loslassen ist ein Prozess, der unglaublich schwer ist, weil er uns mit unseren inneren Ängsten und Blockaden konfrontiert und der dazu führt, dass wir uns mit unserer Vergangenheit auseinandersetzen.
Eine Vergangenheit, in der wir so vieles geliebt haben, aber die auch gekennzeichnet ist von Verlusten, Wut, Trauer und manchmal auch sehr schmerzhaften Ereignissen.
All diese Dinge durchleben wir wieder neu, wenn wir uns mit ihr beschäftigen.
Warum sollten wir uns diesem Prozess aussetzen?
Was macht dies für einen Sinn?
Wie kann uns das Meer dabei helfen?
Ich glaube, dass es die Anstrengung wert ist, weil der Prozess des Loslassens uns zu mehr innerer Freiheit führt, zu mehr Selbstakzeptanz, zu mehr Mitgefühl und Verständnis, sowohl uns selbst als auch anderen gegenüber und letztendlich ist er auch ein wichtiger Baustein, um uns zu einem authentischen Leben zu verhelfen.
Bei diesem Prozess und den einzelnen Schritten dahin, kann uns das Meer unterstützen, es uns vielleicht etwas leichter fällt diesen Weg zu gehen.
Wie fängt man an loszulassen?
Indem man sich auf eine Innenschau begibt.
Hilfreich um seinen alten Ballast auf die Spur zu kommen sind Fragen wie:
Was habe ich für Gedanken und Situationen, die mich belasten, die mich einengen, die mich zurückhalten, die mich in eine schlechte Stimmung versetzen, was schmerzt, was macht mich wütend und was traurig, wo habe ich Angst vor etwas?
Dann die wichtige Frage:
Will ich mich so fühlen, wie in dieser Situation?
Bringt es mich weiter, dass ich mich in dieser Situation so fühle oder ist es sogar eher kontraproduktiv?
Bei den meisten negativen Gedanken kommen wir zu dem Schluss, dass sie nicht dienlich sind und wir uns sogar selbst damit sabotieren.
„Das Leben lässt sich nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.“
(Søren Kierkegaard)
Bei diesem inneren Dialog, indem wir uns mit unserer Vergangenheit und unseren Blockaden beschäftigen, kann uns das Meer zu mehr innerer Ruhe und Klarheit verhelfen.
Der Blick in die Weite und der Horizont bringt uns in eine ruhige Stimmung, so dass wir besser unsere Gedanken sortieren können.
Außerdem versetzt das Meer mit seiner Weite und auch mit seiner fast unvorstellbaren Tiefe alles in eine andere Relation zueinander.
Wir wirken dagegen mit unseren Sorgen und Problemen so winzig und klein, dass viele Dinge in einem anderen Licht und nicht mehr so bedeutend erscheinen.
Bei der Beobachtung der Wellen und Gezeiten kann man sehen wie Spuren im Sand weg gewaschen werden, wie Felsen und Steine umspült werden, quasi reingewaschen werden.
Aber auch das Meer selbst lässt Dinge los, indem es sie an den Strand spült oder wie Treibgut mit der Strömung davon ziehen lässt.
Auch wir lassen unseren Ballast beim Loslassen von dannen ziehen.
Wir können symbolisch unsere Gedanken und die Dinge, die wir loslassen möchten dem Meer übergeben.
Sie in die Tiefe hinabschicken, sie von der Strömung davon treiben lassen oder auch von den Wellen abwaschen lassen.
Loslassen führt dazu , dass wir zu der Ansicht kommen, dass das was wir uns gewünscht haben, was wir mal getan haben, was mal unsere Träume und Ziele waren, womit wir uns mal beschäftigt haben, in Frieden gehen lassen können.
Es die Erkenntnis gibt, dass es eine Zeit gab, wo diese Dinge nützlich und richtig waren, uns in der Persönlichkeitsentwicklung weiter gebracht haben, wir aber ihnen jetzt entwachsen sind.
Mit den Erfahrungen, die wir gemacht haben, haben wir neue Fertigkeiten gelernt und wir können sie vielleicht nutzen, um es in Zukunft besser zu machen oder um neue Ideen besser umzusetzen.
Auch das Meer lässt Substanzen in die Tiefe hinabgleiten.
Dort werden sie dann von Organismen zersetzt und das dabei entstehende Substrat dient wiederum für neue Organismen zum Wachsen.
Auch im Meer ist alles in Bewegung und unterliegt Auf- und Abbauprozessen.
Wir können ebenso Altes loslassen, aber manchmal ein Teil, eine Erfahrung zum Aufbau von Neuem nutzen.
Wenn wir uns von Altem trennen, entsteht auch immer Raum für Neues.
Unser Herz wird offen und wir sind bereit wieder neue Erfahrungen und Ideen aufzunehmen.
Loslassen bedeutet immer ein wenig Abschied nehmen, was natürlich auch immer schmerzhaft ist.
Das Meer kann uns dabei aber Trost spenden.
Es klärt unseren Geist, schenkt uns eine meditative Ruhe und zeigt uns, dass alles immer einem Wandel unterliegt, aber es auch gleichzeitig eine Beständigkeit gibt.
Die Wellen und Gezeiten sind dafür ein gutes Beispiel.
Die Kraft der Wellen und der Gezeiten, führen auch Veränderungen an den Küsten herbei, sind aber auch gleichzeitig in ihrem Kommen und Gehen wie eine Konstante.
Nach dem Loslassen fühlt es sich leer in einem an, wenn all die Energie, die sich angestaut hat, nun entladen ist.
Wie eine Welle, die die Windenergie in sich weiter trägt, bis sie durch die Reibung mit dem Meeresboden bricht und ihre ganze Energie abgibt.
Man fühlt sich befreit.
Es ist Raum geschaffen, Platz für Neues.
Man kann diesen Raum wieder anfüllen.
Aber es ist auch gut sich erst einmal Zeit für seinen Abschied zu nehmen und sein Herz offen zu halten für den Neubeginn.
Das Alte weicht langsam zurück, wie das Meer bei einsetzender Ebbe zurückweicht und es wird ebenso langsam wieder mit Neuem gefüllt, wie die Flut langsam das Wasser an den Strand spült.
„Meer
Wenn man ans Meer kommt
soll man zu schweigen beginnen
bei den letzten Grashalmen
soll man den Faden verlieren
und den Salzschaum
und das scharfe Zischen des Windes
einatmen
und ausatmen
und wieder einatmen.
Wenn man den Sand sägen hört
und das Schlurfen der kleinen Steine
in langen Wellen
soll man aufhören zu sollen
und nichts mehr wollen
nur Meer
nur Meer.“
(Erich Fried)